Alles frisch? Wie der Bestandsschätzer hilft, Lebensmittel zu retten.

30% Preisreduktion wegen begrenzter Haltbarkeit

Solche oder ähnliche Aufkleber kennen wir alle vom alltäglichen Einkauf im Supermarkt. Was vielen nicht klar ist: welchen Aufwand es für die Mitarbeitenden im Einzelhandel bedeutet, Produkte nahe am Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) im Regal aufzustöbern, zu zählen und mit reduzierten Preisen auszuzeichnen. Zwar existieren mittlerweile Barcodes, die auch das MHD verschlüsseln können; diese kommen aber aufgrund der vorproduzierten Verpackungen im Lebensmitteleinzelhandel noch kaum zum Einsatz. Für die Supermärkte bedeutet dies, dass das Warenwirtschaftssystem zwar oftmals die Information hat, dass vor zwei Wochen eine Charge eines Produkts mit MHD „morgen“ geliefert worden ist; aber ob von dieser Charge noch etwas im Regal steht, lässt sich nur überprüfen, indem ein:e Mitarbeiter:in zum Regal läuft und nachzählt – vor dem Hintergrund zunehmenden Personalmangels im Einzelhandel ein nahezu untragbarer Prozess. Die Folge ist, dass viele Lebensmittel, welche zu retten wären, in die Mülltonne wandern.

Hier kommt das im Rahmen des Forschungsprojekts REIF in Kooperation mit tegut… gute Lebensmittel entwickelte Bestandsschätzungs- und Pricingsystem der Spicetech GmbH ins Spiel. Dieses trifft auf Basis der bekannten Artikelbewegungsdaten Vorhersagen darüber, wie viele Artikel pro MHD noch im Regal stehen und schafft dadurch eine wesentliche Grundlage für eine effizientere Preisreduktion verderblicher Produkte.

Klingt wie Magie, ist aber nur Mathematik

Wie funktioniert das also? Sehen wir uns zunächst einmal an, welche Daten zu den Artikeln in aller Regel vorliegen: Zu jeder Lieferung sind Lieferdatum, Menge und geliefertes MHD bekannt. Am Tag der Lieferung kennen wir für dieses MHD also den genauen Bestand. Was wir zusätzlich erfahren: wie viel jeden Tag insgesamt verkauft worden ist, wie viel aufgrund einer Überschreitung des MHDs jeden Tag entsorgt wird und wie hoch der aktuelle Gesamtbestand ist.

Die Aufgabe des Bestandsschätzers ist nun, die einzelnen Artikel aus den Lieferungen so auf die Verkäufe zu verteilen, dass am Ende sowohl der aktuelle Gesamtbestand, als auch die entsorgte Menge der Realität möglichst nahe kommt. Das Kaufverhalten der Kund:innen wird hierbei durch eine Wahrscheinlichkeitsfunktion beschrieben: Je frischer das Produkt und je weiter vorne im Regal, desto wahrscheinlicher werden die Kund:innen zugreifen. Die genaue Form der Wahrscheinlichkeitsverteilung ist von Produkt zu Produkt unterschiedlich und ist im Rahmen der Bestandsschätzung jeden Tag neu zu ermitteln.

Und das Funktioniert?

Seit Januar 2023 berechnen wir täglich Chargenbestände für ca. 3000 Frischeartikel wie Fleisch, Milchprodukte und Fertigsalate für zwei tegut… Filialen. Das vielversprechende Ergebnis der Validierung: bei nahezu 80% der Chargen, die in den nächsten 3 Tagen ihr MHD erreichen, wird der Bestand auf 3 oder weniger Artikel genau geschätzt. Am Besten funktioniert der Algorithmus für „Langsamdreher“. Das Problem dieser ist, dass sie selten verkauft und daher häufig schwierig zu planen sind. Dadurch kann das Personal im Markt in Zukunft gezielter eingreifen den Preis für Chargen, die drohen abzulaufen, rechtzeitig reduzieren.